• Wisskomm-Quartett – Nachdenken über Wissenschaftskommunikation

    WissKomm-Quartett Folge 14 – Wissenschaftler*innen in der Öffentlichkeit

    Insbesondere in Forschungsbereichen mit unmittelbaren gesellschaftspolitischen Implikationen und damit besonders kontroversen Themen, wie beispielsweise der Forschung zum Klimawandel, der Genderforschung oder auch der Tierversuchsforschung, häufen sich die Fälle von (verbalen) Angriffen auf Wissenschaftler*innen. Eine nicht-repräsentative Umfrage des Nature Journals zeigte beispielsweise, dass viele Wissenschaftler*innen, die sich in Interviews über die Pandemie geäußert hatten, danach umfassende Erfahrungen mit Belästigung und Beschimpfungen machen mussten.

    Welche Auswirkungen das auf die Wissenschaft und die Wissenschaftskommunikation hat, beziehungsweise wie Wissenschaftler*innen damit umgehen können, darum geht es in einem Beitrag von Hannah Schmid-Petri.

    Das Wisskomm-Quartett diskutiert in dieser Folge unter dem Aspekt der Krisenkommunikation in der Wissenschaft, was passiert, wenn Wissenschaftlerinnen sich in die Öffentlichkeit begeben. Insbesondere vor welchen Schwierigkeiten Wissenschaftler*innen stehen können, wenn sie sich an öffentlichen Debatten beteiligen und warum Shitstorms manchmal auch berechtigten Ansatz zum Nachdenken liefern können.

    Es diskutieren: Julia Serong, Rebecca Winkels, Elisabeth Hoffmann und Friederike Hendriks

    Quellen:

    Nogrady, B. (2021). ‘I hope you die’: how the COVID pandemic unleashed attacks on scientists. Nature, 598(7880), 250–253. https://doi.org/10.1038/d41586-021-02741-x

    Hannah Schmid-Petri. (2021). Krisenkommunikation in der Wissenschaft – Die Reaktion auf Anschuldigungen und der Umgang mit Skandalen. Beiträge Zur Hochschulforschung, 43(1–2), 172–183. https://bit.ly/3AODbXr

    WissKomm-Quartett Folge 13 – Wissenschaftskommunikation als Beruf

    Was ist eigentlich Wissenschaftskommunikation als Beruf? Wie definieren Kommunikations-Verantwortliche in der Wissenschaft ihre Mission? Und welche Aufträge werden ihnen von oben/außen/innen erteilt? Marta Entradas und Kollegen haben sich dieser Frage in einer vergleichenden internationalen Studie gewidmet: Building Capacity for Engagement or Competing for Visibility? 

    Das Wisskomm-Quartett diskutiert die Motive wie auch Zielkonflikte und Rollenmodelle für Wissenschaftskommunikator*innen. Es geht dabei auch um die wachsende Zahl von PR-Aktiven im System, konkret die dezentralen Kommunikator*innen und deren Jobs mitten zwischen den Mahlsteinen. 

    Besondere Aufmerksamkeit widmet diese Folge einer existenziellen Frage, die mit den jeweiligen Rollenbildern einhergeht: Kann die Wissenschafts-PR die Wissenschaft kompromittieren? Und gefährdet sie womöglich somit das Vertrauen in die Wissenschaft, statt es zu stärken?

    Es diskutieren: Julia Serong, Hans Peter Peters, Rebecca Winkels und Elisabeth Hoffmann

    Quellen:

    Entradas M, Bauer MW, O’Muircheartaigh C, Marcinkowski F, Okamura A, Pellegrini G, et al. (2020) Public communication by research institutes compared across countries and sciences: Building capacity for engagement or competing for visibility? PLoS ONE 15(7): e0235191. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0235191

    Entradas M (2022) Public communication at research universities: Moving towards (de)centralised communication of science? Public Understanding of Science 2022, Vol. 31(5) 634–647 © The Author(s) 2021 Article reuse guidelines: sagepub.com/journals-permissions httpDs:O//dIo: i1.o0r.g1/107.711/0797/603963662652251211005588309 journals.sagepub.com/home/pus

    Weingart P (2022) Trust or attention? Medialization of science revisited. Public Understanding of Science 2022, Vol. 31(3) 288–296 © The Author(s) 2022 Article reuse guidelines: sagepub.com/journals-permissions httpDs:O//dIo: i1.o0r.g1/107.711/0797/603963662652251211007700888 journals.sagepub.com/home/pus

    Falls Sie den Essay von Peter Weingart lesen möchten, aber selbst keinen Zugang zum Journal haben, schreiben Sie uns eine kurze E-Mail und wir senden wir Ihnen eine pdf-Kopie zu.

    Das „Defizit-Modell“ in der Wissenschaftskommunikation

    Mit „Defizit-Modell“ wird die Annahme bezeichnet, dass die öffentliche Akzeptanz und Unterstützung von Wissenschaft dann gering sind, wenn es in der Öffentlichkeit nicht genug Wissen aus der Wissenschaft und über die Wissenschaft gibt. Dann lege ein Mangel an Wissen und Verständnis vor. Daraus folge für die Wissenschaft(-skommunikation) die Aufgabe, dieses Defizit zu reduzieren; etwa durch möglichst gute Wissenschaftsvermittlung an die Öffentlichkeit.

    Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen wissenschaftlichem Wissen, Akzeptanz von Wissenschaft, Vertrauen in Wissenschaft und der Akzeptanz von praktischen Folgerungen aus wissenschaftlichem Wissen ist empirisch widerlegt. Ob Bürger*innen der Wissenschaft vertrauen, ob sie sich für wissenschaftliche Prozesse interessieren, und ob sie bereit sind, konkreten Handlungsempfehlungen zu folgen, die mit wissenschaftlichem Wissen begründet werden, hängt von vielen weiteren Bedingungen ab. Neben dem Wissen variiert dies auch für die einzelne Person abhängig vom jeweiligen Themenfeld.

    In der Forschung sowie in der Wissenschaftskommunikation wird deshalb seit längerem vehement das „Defizit-Modell“ abgelehnt. Viele Beiträge in Forschung und Praxis beginnen mit einem Verweis darauf, dass das (eigene) Verhältnis der Wissenschaftskommunikator*innen zur Öffentlichkeit nicht auf einer Defizit-Annahme beruhe.

    Aber ist diese, manchmal einem Vorabbekenntnis gleichende, Ablehnung des „Defizit-Modells“ gerechtfertigt? Ist sie zielführend? Darüber diskutieren in dieser Folge des Wisskomm-Quartetts Rainer Bromme, Elisabeth Hoffmann, Julia Serong und Rebecca Winkels.

    Weitere Hintergrundinformationen sowie Literaturempfehlungen zum „Defizit-Modell“ finden Sie in der Episodenbeschreibung via https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wisskomm-quartett/folge-12-das-defizit-modell-in-der-wissenschaftskommunikation/.

    In der Episode genannte Literatur:

    Krause, N. M., Scheufele, D. A., Freiling, I., & Brossard, D. (2021). The Trust Fallacy: Scientists‘ search for public pathologies is unhealthy, unhelpful, and ultimately unscientific. American Scientist, 109, 226+. Retrieved from https://link.gale.com/apps/doc/A669437356/AONE?u=anon~c698f8d3&sid=googleScholar&xid=8f1c6b39

    Douglas, H. (2021). Lecture 3. Science communication: Beyond the deficit model. In H. Douglas (Ed.), The Rightful Place of Science: Science, Values, and Democracy: The 2016 Descartes Lectures. (pp. 121-151). Tempe, AZ: Consortium for Science, Policy & Outcomes.

    In dieser Folge wird auch ‚Bogner‘ erwähnt. Dies bezieht sich auf die Folge 9 des Wisskomm-Quartetts, in der wir gesprochen haben über: Bogner, A. (2021). Die Epistemisierung des Politischen. Wie die Macht des Wissens die Demokratie gefährdet. Ditzingen: Reclam.

    Wissenschaft Backstage – Entstehungsprozesse kommunizieren?

    Wie sollte man Wissenschaft vermitteln – autoritativ, als verlässliche Quelle wichtiger Ergebnisse? Oder schon im Prozess, mit all ihren methodischen Limitationen, Unsicherheiten und fachlichen Kontroversen? Die Zeiten der „Ingelfinger Rule“, nach der zuerst der Erkenntnisprozess abgeschlossen, dann das Ergebnis wissenschaftlich publiziert und erst danach der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte, sind offenbar passé. Vieles spricht dafür, neben den Ergebnissen auch den Entstehungsprozess zu veranschaulichen, wie Steve Shapin dies bereits 1992 aus der Sicht der Wissenschaft gefordert hat. Eine aktuelle Studie von Senja Post et alt. beleuchtet die Sicht der Öffentlichkeit. Sie unterscheidet die unterschiedlichen Informationsbedarfe von Menschen, die verlässliche Informationen suchen und solchen, die sich lieber eine eigene kritische Meinung bilden. Ein Dilemma für die Wissenschaftskommunikation: Denn je nachdem kann eher die ergebnisorientierte oder die transparenzorientierte Kommunikation Vertrauen schaffen oder es riskieren.

     

    Es diskutieren: Friederike Hendriks, Elisabeth Hoffmann, Hans Peter Peters und Rebecca Winkels

     

    : Quellen

    Senja Post , Nils Bienzeisler, Mareike Lohöfener (2021). A desire for authoritative science? How citizens’ informational needsand epistemic beliefs shaped their views of science, news,

    and policymaking in the COVID-19 pandemic. Public Understanding of Science

    2021, Vol. 30(5) 496–514. DOI: 10.1177/09636625211005334.

    Steven Shapin (1992). Why the public ought to understand science-in-the-making. Public Understanding of Science, Vol 1(1) 27-30. DOI: 10.1088/0963-6625/1/1/006.

    Douglas Allchin, Gábor Á. Zemplén (2020). Finding the place of argumentation in science

    education: Epistemics and Whole Science. Science Education. 2020;1–27. DOI 10.1002/sce.21589.

    Ethik

    Was ist eigentlich „gute Wissenschaftskommunikation“? In vielen Folgen des Wisskomm-Quartetts geht es auch um diese Frage. Diesmal ist das Thema zentral. Wir diskutieren über das Buch „An Ethics of Scienc Communication“ von Fabien Medvecky und Joan Leach.

    Die Australierin und der Neuseeländer stellen gleich im ersten Kapitel eine provozierende Frage: Wir gehen davon aus, das Wissenschaftskommunikation per se eine ethische Angelegenheit ist – aber stimmt das überhaupt? Ist es immer und unter allen Umständen gut, Menschen über Wissenschaftliche Erkenntnisse zu informieren? Die beiden führen kenntnisreich und unprätentiös durch unterschiedliche Dimensionen der Ethik von der Philosophie und Soziologie bis hin zur aktuellen Praxis.

    Über das Buch und seine Thesen lässt sich viele Stunden lang diskutieren. Wir haben uns auf den Begriff „Kairos“ konzentriert: Die Idee, dass neben der Botschaft selbst auch der richtige Zeitpunkt das richtige Umfeld und der richtige Weg, sie zu kommunizieren, zählen. Daraus leiten Medvecky und Leach sehr konkrete Verpflichtungen für Wissenschaftlerinnen und Kommunikatorinnen ab.

     

    Es diskutieren: Lars Rademacher, Julia Serong, Rebecca Winkels und Elisabeth Hoffmann

    Quellen:

    Fabien Medvecky, Joan Leach (2019): An Ethics of Science Communication. Springer International Publishing, 127 Seiten. DOI https://doi.org/10.1007/978-3-030-32116-1

    Podcast von Lars Rademacher und Henriette Heidbrink: https://pendant-podcast.de/