• Wisskomm-Quartett – Nachdenken über Wissenschaftskommunikation

    Alexander Bogner – Epistemisierung des Politischen

    Wenn Politiker*innen politische Entscheidungen als alternativlos bezeichnen, weil die wissenschaftlichen Fakten angeblich eine politische Entscheidung zwingend erfordern und wenn damit zugleich die Notwendigkeit bestritten wird, Ziele und Interessen politisch auszuhandeln, dann suchen sich die Leute, die andere Entscheidungen wollen, eben alternative Fakten.

    So kann man eine der Kernthesen des Buchs von Bogner zusammenfassen. Er kritisiert dabei nicht die Idee einer Politik, die sich an wissenschaftlichen Befunden orientiert, sondern die Verschleierung von politischen Streitfragen durch deren Umdeutung zu Wissensfragen.

    Wie ist die wissenschaftliche Führung von Wertedebatten aus demokratietheoretischer Perspektive einzuschätzen und was bedeutet sie für das Idealbild der partizipativen Bürger*innen vor dem Hintergrund von Postdemokratie-Mahnungen? Wie informiert kann und muss informierte Teilhabe in einer Wissensgesellschaft sein? Bogner zeigt Widersprüche auf und lädt zur Debatte.

    Alexander Bogner (2021): Die Epistemisierung des Politischen. Wie die Macht des Wissens die Demokratie gefährdet. Reclam, Ditzingen, 143 Seiten.

    Es diskutieren Elisabeth Hoffmann, Julia Serong, Markus Weißkopf und Rainer Bromme.

    Wissenschaftsbarometer

    Zum zweiten Mal (nach Folge 1) befasst sich das Wisskomm Quartett mit dem Wissenschaftsbarometer. Dies erhebt im Auftrag von Wissenschaft im Dialog die Einstellungen der Deutschen zu Wissenschaft und Forschung. Was hat sich verändert im Vergleich zu den Vorjahren? Wie groß ist das viel beschworene Misstrauen in der Bevölkerung der Wissenschaft gegenüber wirklich? Und was können Praktiker*innen nun aus den Ergebnissen lernen? Erstmal werfen wir einen vergleichenden Blick auf die Situation in der Schweiz und schauen uns mit dem Wissenschaftsbarometer explizit die Rolle der Politikberatung an.

    Es diskutieren Ricarda Ziegler, Niels Mede, Friederike Hendriks und Elisabeth Hoffmann.

    Quellen:

    Wissenschaftsbarometer 2021:

    https://www.wissenschaft-im-dialog.de/projekte/wissenschaftsbarometer/wissenschaftsbarometer-2021/

    Wissenschaftsbarometer Schweiz. (2020). Wissenschaftsbarometer Schweiz COVID-19 Edition. Universität Zürich. https://wissenschaftsbarometer.ch/wissenschaftsbarometer-schweiz-covid-19-edition/

    Mede, N. G. & Schäfer, M. S. (2021). Science-related populism declining during the COVID-19 pandemic: A panel survey of the Swiss population before and after the coronavirus outbreak. Public Understanding of Science. https://doi.org/10.1177/09636625211056871

    Lee, S., Yamamoto, M. & Tandoc, E. C. (2021). Why people who know less think they know about COVID-19: Evidence from US and Singapore. Journalism & Mass Communication Quarterly. https://doi.org/10.1177/10776990211049460

    Ziegler, R., Weißkopf, M.(2021). Wer forscht warum wozu? Transparenz über Förderung, Interessen und Motive als Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation. Impulspapier für die Friedrich-Ebert-Stiftung. Netzwerk Wissenschaft. Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin. https://www.fes.de/e/policy-paper-wer-forscht-warum-wozu

    Humor

    Eigentlich passt das gar nicht zusammen: Humor und Wissenschaft. Fakten sollen neutral sein, und es ist nicht unsere Aufgabe, zu unterhalten. Trotzdem entstehen immer mehr Formate, die wissenschaftliche Themen lustig präsentieren. Cartoons und Videos, Science Slams-Beiträge, Satire-Stücke und ganze Kabarett-Programme. Auch die Forschung hat sich dieses Themas jetzt angenommen. Das Wisskomm-Quartett diskutiert drei aktuelle Publikationen, die sich mit der Wirkung von Humor in der Wissenschaftskommunikation befassen. Sie vergleichen die Wirkung von Videos mit und ohne Publikumsgelächter. Und sie untersuchen, ob ein humoristischer Zugang zu einem so ernsten Thema, wie es der Klimawandel ist, anders wirkt als eine Herangehensweise, die auf Sorgen und Ängste abzielt. Humor, so scheint es, funktioniert in der Gemeinschaft am besten. Und er kann Barrieren abbauen. Kann sich ein humorvoller Umgang mit wissenschaftlichen Themen gerade für jüngere Zielgruppen und Menschen, die die Wissenschaftskommunikation bisher wenig erreicht, besonders auszahlen?

    Es diskutieren: Friederike Hendriks, Elisabeth Hoffmann, Julia Serong und Rebecca Winkels.

    Michael A. Cacciatore, Amy B. Becker, Ashley A. Anderson, and Sara K. Yeo (2020). Laughing With Science: The Influence of Audience Approval on Engagement. Science Communication 2020, Vol. 42(2) 195–217 DOI: 10.1177/1075547020910749

    Christofer Skurka, Jeff Niederdeppe, Rainer Romero-Canyas, & David Acup (2018). Pathways of Influence in Emotional Appeals: Benefits and Tradeoffs of Using Fear or Humor to Promote Climate Change-Related Intentions and Risk Perceptions. Journal of Communication 68 (2018) 169–193, doi:10.1093/joc/jqx008

    Sara K. Yeo, Ashley A. Anderson, Amy B. Becker, and Michael A. Cacciatore (2020). Scientists as comedians: The effects of humor on perceptions of scientists and scientific messages. Public Understanding of Science 2020, Vol. 29(4) 408–418. doi:10.1177/0963662520915359

    Viel mehr Beiträge und vor allem Praxistipps enthält das Buch „Kann Wissenschaft witzig? Wissenschaftskommunikation zwischen Kritik und Kabarett“ Herausgeber: Weitze, Marc-Denis, Goede, Wolfgang Chr., Heckl, Wolfgang M. (Hrsg.), Springer, 2021.

    Videos, über die wir gesprochen haben:

    Wissenschaftler haben auch Gefühle | Die Carolin Kebekus Show mit Mai Thi Nguyen-Kim https://www.youtube.com/watch?v=mIjJedupOLU

    Vince Ebert: …

    Was wir lustig finden:

    Scientific Easter Eggs https://www.nytimes.com/interactive/projects/cp/summer-of-science-2015/latest/scientific-easter-eggs – werden auch hier gesammelt: https://scieastereggs.tumblr.com/post/157742067393/science (Friederike)

    Cartoons von Tom Gauld https://www.tomgauld.com/ vor allem diesen über die Macht des Hochschulmarketings https://www.newscientist.com/article/0-tom-gauld-on-when-marketing-chooses-where-to-put-research-groups/

    Und die leider 2018 eingestellte, immer noch aktuelle Serie von Laurie Tayor über die Uni of Poppleton für Times Higher Education: https://www.timeshighereducation.com/academic/laurie (Elisabeth)

    Open Science

    Wissenschaft ist selbstkritisch. Etablierte Verfahren sorgen dafür, dass Ergebnisse in der Regel erst nach intensiven Qualitätssicherungsverfahren öffentlich werden. Einander fachlich zu hinterfragen, zu ergänzen, zu kritisieren und zu widersprechen gehört unter Forschenden schon seit Jahrhunderten zum guten Ton. Mehr noch: Es macht die Wissenschaft zu dem, was sie ist. Lange Zeit lief die Produktion von somit wissenschaftlich gesichertem Wissen für die Öffentlichkeit unsichtbar ab. Durch die Open Science-Bewegung wird gemeinsam mit den Forschungsergebnissen nun auch der Austausch transparent, der ihnen vorangeht oder folgt. Preprints, also Vorab-Veröffentlichungen, laden explizit zur offenen Begutachtung ein.

    Kann die Öffentlichkeit mit so viel Transparenz umgehen? Wirft es nicht ein schlechtes Licht auf die Wissenschaft, wenn methodische Fehler oder zweifelhafte Schlussfolgerungen sichtbar gemacht werden? Am Beispiel des „Arsenic Live“-Eklats in den USA diskutiert das Wisskomm-Quartett die Auswirkungen von Open Science und Transparenz auf die Wissenschaft und natürlich auch auf die Wissenschaftskommunikation.

    Es diskutieren: Friederike Hendriks, Elisabeth Hoffmann, Julia Serong und Rebecca Winkels.

    Linkliste zu den Quellen:

    Yeo, S. K. et al. (2017). The case of #arseniclife: Blogs and Twitter in informal peer review. Public Understanding of Science, 26(8), 937–952. doi: 10.1177/0963662516649806 

    Anvari, F., & Lakens, D. (2018). The replicability crisis and public trust in psychological science. Comprehensive Results in Social Psychology, 3(3), 266–286. doi: 10.1080/23743603.2019.1684822

    Open Science Collaboration. (2015). Estimating the reproducibility of psychological science. Science, 349(6251), aac4716–aac4716. doi: 10.1126/science.aac4716

    Mede, N. G. et al. (2021). The “replication crisis” in the public eye: Germans’ awareness and perceptions ofthe (ir)reproducibility of scientific research. Public Understanding of Science, 30(1), 91–102. doi: 10.1177/0963662520954370

    Fraser, N. et al. (2021). The evolving role of preprints in the dissemination of COVID-19 research and their impact on the science communication landscape. PLOS Biology, 19(4), e3000959. doi: 10.1371/journal.pbio.3000959

    Pressekonferenz der NASA zur Vorabveröffentlichung der Studie (peer-reviewed) von Felisa Wolfe-Simon am 2. Dezember 2010 (Wolfe-Simon F. et al. (2010) A bacterium that can grow by using arsenic instead of phosphorus. Science, 332(6034): 1163–1166.)

    Teil 1 https://www.youtube.com/watch?v=WVuhBt03z8g 

    Teil 2 https://www.youtube.com/watch?v=kiWlhNDMDHQ

    Teil 3 https://www.youtube.com/watch?v=tevWzkVrk2s 

    Wissenschaftsjournalismus

    Dem Wissenschaftsjournalismus fehlen Ressourcen, immer weniger Redaktionen leisten sich eigene Ressorts. Gleichzeitig verfügen Forschungseinrichtungen und Universitäten über so viele Möglichkeiten wie nie zuvor, sich und die Wissenschaft öffentlich darzustellen. Online-Kanäle und Formate machen es Forschenden leicht, auch außerhalb der Fachgemeinschaft zu publizieren. PR-Profis unterstützen bei der Vermittlung und Verbreitung. Und auf Plattformen wie „The Conversation“ geben Journalist*innen Texten aus der Forschung Glanz und Schliff. Auch auf kritisches Hinterfragen hat der Journalismus kein Monopol. Hat der unabhängige Wissenschaftsjournalismus also ausgedient? Er wird gleichzeitig wichtiger und weniger wichtig – das ist eine der Thesen in dieser Folge des Wisskomm-Quartetts.

    Es diskutieren Elisabeth Hoffmann, Hans-Peter Peters, Julia Serong und Rebecca Winkels.

    Linkliste zu den Quellen:

    Lehmkuhl, M. (2019). Journalismus als Adressat von Hochschulkommunikation. In B. Fähnrich, J. Metag, S. Post, & M. S. Schäfer (Eds.), Forschungsfeld Hochschulkommunikation (pp. 299-318). Wiesbaden: Springer VS.

    Bruns, A. (2017). Das Modell The Conversation: ›Academic Rigour, Journalistic Flair‹. In P. Weingart, H. Wormer, A. Wenninger, & R. F. Hüttl (Eds.), Perspektiven der Wissenschaftskommunikation im digitalen Zeitalter (pp. 78-81). Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.

    Schultz, T., Jackob, N., Ziegele, M., Quiring, O., & Schemer, C. (2017). Erosion des Vertrauens zwischen Medien und Publikum? Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Media Perspektiven(5), 246-259.